Sorglose Kostenermittlung zwingt nicht zur Zuschlagserteilung
Köln, 15. Juni 2022
Der öffentliche Auftraggeber schrieb Bauleistungen national aus. Der Auftraggeber berechnete den Auftragswert mittels einer vorläufigen Kostenschätzung im Rahmen der Leistungsphasen 2 und 3 HOAI. Er schätzte den Nettoauftragswert dabei auf EUR 2,14 Mio. ohne jedoch die steigenden Baupreise bis zur Bauphase einzukalkulieren.
Bei Angebotsabgabe gab der einzige Bieter ein Angebot in Höhe von EUR 4,93 Mio. ab. Der Auftraggeber hob daraufhin das Vergabeverfahren mit der Begründung auf, dass kein wirtschaftliches Angebot eingegangen sei. Gegen die Aufhebungsentscheidung wehrte sich der Bieter mit einem Nachprüfungsantrag. Die Verfahrensaufhebung sei vergaberechtswidrig, der öffentliche Auftraggeber habe die Kosten gänzlich sorglos und auf unzureichender Grundlage geschätzt.
Auftraggeber nicht in Vergabeverfahren „gefangen“
Nach Ansicht des OLG Rostock (Beschluss vom 30.09.2021 – 17 Verg 5/21) sei die Kostenschätzung zwar fehlerhaft und die Aufhebung damit vergaberechtswidrig. Jedoch müsse der Auftraggeber den Zuschlag auch dann nicht erteilen, wenn er die Kostenschätzung gänzlich sorglos vorgenommen und das Vergabeverfahren auf unzureichender Grundlage eingeleitet habe. Gingen bei Angebotsschluss lediglich unwirtschaftliche Angebote ein und hebe der Auftraggeber das Verfahren daraufhin auf, müsse er den Bietern jedoch den Schaden ersetzen, den er durch die sorg- und rücksichtslose Ausschreibung verursacht habe.
Kein Zuschlag trotz ordnungsgemäßem Angebot
Öffentliche Auftraggeber müssen den Zuschlag nicht erteilen, auch wenn der dieser nur aufgrund eines Vergaberechtsverstoßes des Auftraggebers unterbleibt. Der Bieter kann allein die Feststellung des Vergaberechtsverstoßes beantragen und den entstandenen Schaden einklagen.