BGH: Kündigungsrecht gemäß § 4 Abs. 7 VOB/B ist unwirksam!
Köln, 01. März 2023
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH entschied mit Urteil vom 19.01.2023 (VII ZR 34/20), dass das in § 4 Abs. 7 S. 3 VOB/B normierte Kündigungsrecht wegen Mängeln vor Abnahme unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Regelung begründet der für Bausachen zuständige 7. Zivilsenat damit, dass nach dem Wortlaut der Regelung selbst geringfügige (bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs) Mängel zu einer wirksamen Kündigung aus wichtigem Grund führen können. Vor diesem Hintergrund ist die Klausel unwirksam, § 307 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der § 8 Abs. 3 VOB/B behält, soweit die Bestimmung nicht auf § 4 Abs. 7 VOB/B rückbezogen ist, seine Wirksamkeit. Die Entscheidung erging zur VOB/B 2002, ist allerdings auf die geltende Fassung der VOB/B aus 2016 übertragbar.
Voraussetzung: VOB/B nicht als Ganzes vereinbart
Da der vorgenannte § 307 BGB aber nur dann auf die VOB/B Anwendung findet, wenn diese nicht „als Ganzes“ (= ohne wesentliche Änderungen) vereinbart wurde, entscheidet der Einzelfall. Der gegenständliche Vertrag sah vor, dass die Einheitspreise fest und unveränderbar sind, was eine wesentliche Abweichung von § 2 Abs. 3 VOB/B darstellt. Darüber hinaus wich der Vertrag von § 16 Nr. 1 S. 1 VOB/B ab, da Abschlagszahlungen nur bis 90 % der nachgewiesenen Leistungen verlangt werden konnten.
Kündigung wegen Mängeln trotzdem möglich!
Trotz der Unwirksamkeit des § 4 Abs. 7 VOB/B, kann – im VOB/B-Vertrag sowie im BGB-Bauvertrag - eine Kündigung wegen Mängeln möglich sein. Im Hinblick auf die zu berücksichtigende Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers aber nur dann, wenn weitere Umstände hinzutreten, die die Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung für den Auftraggeber begründen. Ein berechtigtes Interesse des Auftraggebers, die Fertigstellung durch den Auftragnehmer nicht mehr abwarten zu müssen, kann etwa aus der Ursache, der Art, dem Umfang, der Schwere oder den Auswirkungen der Vertragswidrigkeit oder des Mangels folgen.